MVP steht für »Minimum Viable Product«, laut Wikipedia »die erste minimal funktionsfähige Iteration eines Produkts, die dazu dient, möglichst schnell aus Nutzerfeedback zu lernen und so Fehlentwicklungen an den Anforderungen der Nutzer vorbei zu verhindern.« [Link]
Dieser Text möchte so kurz und so knapp wie möglich aufzeigen, was man minimal beim Thema Farbmanagement beachten und machen sollte. Also ein MVP zum Thema Farbmanagement. Oder Colormanagement. Wie auch immer man es nennen will.
Aus meiner Beratungspraxis und dem Austausch mit vielen Kolleg:innen weiß ich, dass Farbmanagement für die Arbeit an Print-Produkten ein Thema ist, das vielen zu komplex ist, wenig verstanden und darum vielfach ignoriert wird.
⚠️ Zu jedem einzelnen Punkt kann man natürlich abendfüllende oder noch längere Workshops oder Vorträge besuchen – wie wir es beispielsweise bei den InDesign User Groups auch immer wieder anbieten [hier, hier oder hier]. Und ich empfehle auch jeder/m Kreativen, sich damit ausführlich zu beschäftigen, um die besten Ergebnisse hinzubekommen. Darum ist die folgende Anleitung als Basis zu verstehen für die eigene Weiterbildung.
- Bei PDFX-ready die Dateien für die Farbeinstellungen (es gibt welche für Digitaldruck und für Offsetdruck) runterladen [Link] und installieren. Wie das geht, steht in einem PDF (»Rezept«), das man dort auch laden kann
- Adobe Bridge öffnen und unter Bearbeiten → Farbeinstellungen die gewünschte Datei aussuchen. Da heutzutage die allermeisten Sachen auf gestrichenem Papier gedruckt werden, ist PDFX-ready_PSOcoatedV3_sRGB_CS6-CC-V261 die erste Wahl.
Wenn ihr aber schon wisst, dass auf ungestrichenem oder Zeitungspapier oder im Rollenoffset gedruckt wird, bitte die entsprechende andere Einstellungendatei von PDFX-ready nehmen. Und »Anwenden« klicken. Dann sind die Einstellungen in allen Adobe-Programmen synchron. - Bilder müssen nicht in CMYK umgewandelt werden, sondern können in RGB bleiben.
- Jedes Bild muss ein Farbprofil haben. Wenn das Bild kein Farbprofil hat, bitte in Photoshop (unter »Bearbeiten«) ein Profil zuweisen und gucken, ob sich die Farben dadurch verändert haben und gegebenenfalls anpassen. Bei RGB-Bildern ist sRGB IEC61966-2.1 meist ist eine gute Wahl. Falls ein Bild ohne Farbprofil doch schon in CMYK vorliegt, nehme ich meist PSO Coated v3.
- Bei der Druckerei anfragen, ob sie eine PDF-Export-Datei hat, die für die verwendete Druckmaschine und das verwendete Papier optimiert ist, und sich diese zuschicken lassen oder runterladen. Diese Dateien haben die Dateiendung .joboptions und können in InDesign über Datei → PDF-Vorgaben → Definieren… → Laden… hinzugefügt werden. *
- In InDesign bei Bearbeiten → Profile zuweisen dem Dokument ein zum Druck passendes Profil zuweisen. Das hast du idealerweise bei Schritt 5 von der Druckerei erfahren. Wenn da nichts kam: Bei Druck auf gestrichenem Papier sollte »coated« im Namen stehen, bei ungestrichenem Papier »uncoated«. Bei Offsetdruck die mit »PSO« im Namen und bei Digitaldruck die mit »ISO«.
- In InDesign mit den Bildern und anderen Elementen und Texten wunderbare Sachen gestalten.
- Beim Exportieren dann die von der Druckerei gelieferte, eventuell angepasste bzw. selbst kreierte »Adobe PDF-Vorgabe« auswählen.
Je nachdem, was die Druckerei wünscht, dann noch unter »Marken und Anschnitt« die Druckermarken und Anschnitteinstellungen anpassen und fertig.
Die meisten Rückfragen bekomme ich wegen Punkt 3. Aber es stimmt: Bilder müssen nicht in CMYK umgewandelt werden. Das geschieht erst beim Export (Schritt 7) durch die entsprechende Einstellung, die wir in Schritt 6 vorgenommen haben (»Farbkonvertierung: In Zielprofil konvertieren (Werte beibehalten)«). Zusätzlicher Vorteil: Wenn die Bilder in sRGB vorliegen, können sie ohne Probleme auch online eingesetzt werden.
ℹ️ Wie gesagt: Das ist eine Anleitung im Sinne eines MVP, also »minimal funktionsfähig«. Farbmanagement-Profis haben sicherlich zu jedem Punkt oder dem ganzen Prozess viele Anmerkungen. Auf die freue ich mich per Mail an rainer ät klute.io.
* Hier befindet sich allerdings aus meiner Erfahrung die größte Baustelle (und macht meinen Text doch etwas komplexer):
Manche Druckerei hat keine entsprechende Datei, sondern sagt »Schicken Sie uns einfach ein PDF«. Andere Druckereien schicken joboptions-Dateien, die extrem veraltet und nicht mehr zeitgemäß oder gar fehlerhaft sind. In beiden Fällen macht dann die Druckvorstufe (Vielen Dank für Euren Einsatz!) in der Druckerei die Hauptarbeit, die Daten zurechtzubiegen und druckfertig zu bekommen. Aber man selber verliert dadurch die Kontrolle über die Druckdatei und damit auch über den Umgang mit den Farben.
Ich kontrolliere darum eine gelieferte joboptions-Datei immer vor allem auf folgende Punkte:
– Unter »Allgemein« sollte der »Standard« PDF/X-4:2010 sein. Druckereien mit ziemlich altem Equipment bekommen damit Probleme, dann ist PDF/X1:2001 in Ordnung.
– Unter »Ausgabe« sollte bei »Farbkonvertierung« »In Zielprofil konvertieren (Werte beibehalten)« eingestellt sein, und als »Ziel« dann das unter 6. zugewiesene CMYK-Profil.
Stand: 28.11.2023 / v03
Vielen Dank an Prof. Florian Süßl und Mac Conin für die fachliche Unterstützung!